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Falsche Behandlung?!

von Jennifer B.

Guten Tag, unser Kater JOEY (1,5 Jahre alt) ist uns am 04.04.2021 vom Balkon entwischt. Am Donnerstag, 22.04.2021 haben wir ihn morgens wieder eingefangen (Sichtmeldung kam am vorigen Tag). Er war sichtlich unterversorgt und auf der rechten Seite verletzt, jedoch war die Wunde wieder verheilt. Trotz dessen sah er noch ziemlich fit aus und hatte die ganze Zeit getrunken, bis mein Mann am Nachmittag zum Tierarzt mit ihm fuhr. Gegessen hatte er nichts. Wir waren uns sicher, dass er ziemlich dehydriert ist und mein Mann fragte den Tierarzt, ob er ihn nicht dabehalten könnte und ihm Infusionen geben könnte, da der TA ja ebenfalls feststellte, dass JOEY sehr dehydriert war. Dieser lehnte es jedoch ab und meinte, er würde sich daheim besser erholen und schickte ihn mit einer Aufbaunahrung nach Hause (am Samstagmorgen wollte er JOEY zur Kontrolle wiedersehen). Die Aufbaunahrung sollten wir ihm jede halbe Stunde mit einer Spritze ins Maul injizieren. Er hatte seit dem nichts mehr getrunken und hatte die Nahrung immer wieder ausgekotzt. Jedoch hatte der Arzt meinem Mann mitgeteilt, wir sollen ihm immer noch was geben von der Nahrung, wenn er es auskotzen sollte. Also vertrauten wir darauf, dass es gut ist, was wir machen, der Tierarzt wird es ja wissen. Als ich am Samstagmorgen zur Kontrolle bei ihm war, stellte der TA fest, dass JOEY bereits ziemlich unterkühlt war und er noch dehydrierter war. Er sagte, dass es 60/40 gegen ihn stehen würde. Er behielt JOEY dann doch in der Praxis, um ihn Infusionen zu geben. Am selben Tag um 18 Uhr rief er uns an und teilte uns mit, dass er ihm weiter Nahrung und Medikamente zugeführt hat und JOEY mittags so fit war, dass er ihn unter Narkose die Infusion legen konnte. Am Sonntagmorgen gegen 9.30 Uhr rief der TA nochmal an und sagte, dass JOEY die Nacht nicht überstanden hat. Er sei am Samstagabend gegen 23 Uhr an Nierenversagen gestorben. Am Dienstag, 27.04.2021 wollten wir JOEY dann abholen, um ihn zu begraben, jedoch hatten wir in dem ganzen vergessen, Geld für die Rechnung mitzunehmen. Daraufhin wurde der TA ausfallend und gab uns JOEY nicht raus. Am Donnerstag, 29.04.2021 sind wir dann nochmals hin (dieses mal mit Geld), um JOEY abzuholen. Zu der Rechnung stellte ich mehrere Fragen, z. B. welche Medikamente er ihm verabreichte und wozu er ein geschwächtes Tier unter Narkose setzte. Daraufhin wurde er wieder ausfallend und meinte, dass er gleich richtig sauer wird und was ich meine, wer ich bin um ihn dermaßen auszufragen. (Ist das nicht mein Recht?) Er habe angeblich nach gutem Gewissen gehandelt und konnte ja nicht ahnen, dass es JOEY bei uns daheim so schlecht ergehen würde. Er hätte meinem Mann angeblich gesagt, er solle sofort wieder in die Praxis kommen, wenn das mit der Aufbaunahrung nicht klappen würde bzw. er es auskotzen würde. Mein Mann weiß aber genau, dass der TA das nicht sagte. Er verdrehte die Tatsachen und stellte sich als Opfer dar, weil wir ihm angeblich Vorwürfe machen würden. Zudem sei JOEY auf einmal durch Kreislaufversagen gestorben. Ich muss hinzufügen, dass wir der Infusion mündlich zustimmten, jedoch nicht der Narkose. Ist es wirklich nötig, ein Tier zu narkotisieren, um die Infusion zu legen? (JOEY war sehr geschwächt und wehrte sich kaum noch). Der TA ging auch auf unsere Fragen nicht wirklich ein, obwohl er doch in der Pflicht steht, uns aufzuklären oder nicht? Hat der TA wirklich rechtens gehandelt mit der Narkose und den Medikamenten? Hat er die Infusion am Donnerstag ablehnen dürfen, obwohl er die Dehydrierung selbst feststellte? Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort. Wir freuen uns, dass es jemanden wie Sie gibt, die Leuten wie uns eine erste Einschätzung gibt. Mit freundlichen Grüßen 

Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries
Foto: © Ann-Kathrin Fries

Antwort von Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries

 Ich bedauere sehr, dass Sie sich aufgrund dieses tragischen Verlaufs und dem Tod Ihres noch so jungen Katers an mich wenden müssen.
Ich verstehe Ihre Verärgerung über den Tierarzt, da im Recht jedoch Emotionen keine Rolle spielen, bitte ich um Verständnis für die sachliche Antwort.
Bei der Frage nach der Tierarzthaftung handelt es sich um ein sehr kompliziertes Gebiet.
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können. Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Hier zeigt sich, warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne einen Sachverständigen sind diese Fragen in der Regel nicht zu beantworten. Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.
Anders ist es allerdings, wenn der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Die fehlende Dokumentation spricht dann gegen den Tierarzt und kehrt die Beweislast um. Der Tierarzt muss nun seinerseits beweisen, dass der Schaden auch bei einer fehlerfreien Behandlung eingetreten wäre. Die Höhe des jeweiligen Schadensersatzes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Ebenfalls zu einer Beweislastumkehr kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Tierarztes, z.B. bei einem Befunderhebungsfehler, so der BGH in seinem aktuellen Urteil vom 10.05.2016 – Az. VI ZR 247/15. Allerdings muss der Tierhalter zunächst der „grobe Behandlungsfehler“ mittels eines Sachverständigen beweisen können.
Ob in Ihrem konkreten Fall dem Tierarzt eine Sorgfaltspflichtverletzung und ein sogenanntes „Übernahmeverschulden“ zur Last gelegt werden kann bzw. ob ein grober Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann, läßt sich an dieser Stelle nicht bewerten. Dies setzt nicht nur die umfangreiche Prüfung aller vorhandenen medizinischen Unterlagen etc. voraus, sondern wird wahrscheinlich auch eine Bewertung durch einen Gutachter oder Sachverständigen nötig machen.
Hinzu kommt, dass leider in solchen Fällen Dreh – und Angelpunkt das Gespräch und die Einwilligung in die Behandlung ist, die oft aufgrund von Kommunikationsproblemen oder Missverständnissen nicht eindeutig ist. So hat der Tierarzt oft tatsächlich fachlich aufgeklärt, allerdings in einer für den Laien unverständlichen Art und Weise, zudem ist der Tierhalter, gerade wenn es sich um Notlagen handelt, voll Angst und Sorge und versteht es nicht richtig/hört nicht richtig zu oder gibt sein Einverständnis zu allem „was notwendig“ ist.
Versuchen Sie, wenn möglich, nochmals in einem Gespräch mit dem behandelndem Tierarzt sich die Behandlung/Medikamentierung einerseits und die eingetretenen Folgen nachvollziehbar erklären zu lassen, nehmen Sie zu dem Gespräch, wenn möglich, einen Zeugen mit. Lassen Sie sich einen ausführlichen OP-Bericht, alle Röntgenbilder, Ultraschallausdrucke, Laborberichte sowie die Einträge in die Karteikarte aushändigen und lassen diese Unterlagen z.B. von einem anderen Tierarzt (kostenpflichtig) prüfen.
Wenden Sie sich bei weiterem Beratungsbedarf an einen Anwalt oder eine Anwältin für Tierrecht, alternativ/zusätzlich können Sie sich auch an die zuständige Tierärztekammer wenden. Diese kann zwar keine Streitigkeiten verbindlich entscheiden, sie kann aber versuchen zwischen Tierhalter und Tierarzt zu vermitteln.
 
 

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