Antwort von Tierärztin Janina Rohde
Hallo Frau Z.
die von Ihnen geschilderten Symptome Ihrer 16-jährigen, kastrierten Hündin – häufiges Schlecken an der Vulva, Rötung, gelegentliches „Schlittenfahren“, Inkontinenz, zeitweise Apathie und Appetitlosigkeit – deuten auf ein wiederkehrendes Problem im Bereich der Harn- oder Geschlechtsorgane hin. Dass sich die Beschwerden unter einer antibiotischen Behandlung deutlich gebessert haben, nach Absetzen jedoch erneut auftraten, spricht für ein chronisch-rezidivierendes Geschehen, das bisher nicht vollständig diagnostiziert oder therapiert wurde.
Im Folgenden finden Sie eine Übersicht sinnvoller diagnostischer Schritte, die Sie mit Ihrer Tierärztin oder Ihrem Tierarzt besprechen sollten:
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Urinuntersuchung inklusive bakteriologischer Kultur mit Antibiogramm
Eine routinemäßige Urinuntersuchung reicht in solchen Fällen meist nicht aus. Wichtig ist eine sterile Uringewinnung (beispielsweise mittels Zystozentese), um eine aussagekräftige mikrobiologische Untersuchung zu ermöglichen. Zusätzlich sollte ein Antibiogramm erstellt werden, um gezielt über eine mögliche Antibiotikatherapie entscheiden zu können. Auch eine Sedimentuntersuchung und die Bestimmung des spezifischen Gewichts liefern wichtige Hinweise.
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Vaginalabstrich mit zytologischer und mikrobiologischer Untersuchung
Gerade bei kastrierten Hündinnen kann es durch hormonelle Veränderungen zu einer sogenannten juvenilen oder senilen Vaginitis kommen. Ein Abstrich kann Aufschluss über Entzündungszellen, das Zellbild sowie mögliche Keime wie Bakterien oder Hefen geben. Gegebenenfalls sollte auch hier eine Kultur mit Antibiogramm erfolgen.
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Ultraschalluntersuchung (Sonographie) des Harntrakts
Diese Untersuchung dient der strukturellen Beurteilung von Blase, Harnleitern und Nieren. So können Blasensteine, Polypen, Wandverdickungen, Tumoren oder Restharn erkannt werden. Auch ein Blick auf den Gebärmutterstumpf bei kastrierten Hündinnen ist sinnvoll, um beispielsweise eine Stumpfpyometra auszuschließen.
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Beurteilung der Vulva und der umliegenden Hautregion
Manche Hündinnen – insbesondere kastrierte oder übergewichtige – neigen zu einem sogenannten perivulvären Dermatitis-Komplex, der mit Juckreiz und Entzündung einhergeht. Auch eine anatomisch stark eingefallene oder eingelegte Vulva kann chronische Irritationen und Infektionen begünstigen.
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Abklärung einer möglichen Inkontinenz
Wenn zusätzlich Urin verloren wird, kann eine hormonell bedingte Inkontinenz vorliegen. Diese wird meist nur dann vermutet, wenn infektiöse und strukturelle Ursachen ausgeschlossen wurden. Es gibt hierfür medikamentöse Optionen, die jedoch erst nach abgeschlossener Diagnostik in Betracht gezogen werden sollten.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein erneuter Einsatz von Antibiotika ohne gezielte Diagnostik ist bei chronischen oder wiederkehrenden Symptomen nicht sinnvoll und kann langfristig zu resistenten Keimen führen. Ein strukturiertes diagnostisches Vorgehen ist entscheidend, um die genaue Ursache zu finden und eine gezielte, nachhaltige Therapie zu ermöglichen.
Ich empfehle Ihnen, eine tierärztliche Praxis mit internistischer oder urologischer Erfahrung aufzusuchen, die sowohl über Möglichkeiten zur mikrobiologischen Probengewinnung als auch zur bildgebenden Diagnostik verfügt.
Viele Grüße
Janina Rohde