Hunde an der Leine

Entspannte Begegnungen beim Spaziergang

Ein Hund mit Leine in einem Feld. © Pixabay
Ein Hund an einer Leine.

Wer kennt das nicht: Zwei Hunde, jeweils an der Leine geführt, begegnen sich. Plötzlich beginnt ein mächtiges Rüpeln zwischen den beiden, obwohl sie sich kennen und unangeleint keine Probleme miteinander haben. Was steckt dahinter?

Warum sind Hunde an der Leine aggressiv?

Früher wurde häufig behauptet, dass der Hund sich an der Leine stark fühlt oder seinen Halter beschützen möchte. Heute weiß man allerdings, dass die Leinenaggression ganz andere Ursachen hat. Unsere Hunde sehen sich immer wieder folgender Situation ausgesetzt: Auf einem schmalen Weg kommt ihnen ein Mensch mit einem ebenfalls angeleinten Hund entgegen. Würden sich die beiden Hunde im Freilauf begegnen, würden beide wahrscheinlich erst einmal stehen bleiben oder in einem Bogen aneinander vorbeigehen. Das ist ihnen aber durch die Leine nicht möglich. Ganz im Gegenteil: Häufig kann man beobachten, dass der Hundehalter die Leine noch kürzer nimmt, um den Hund besser halten zu können, beziehungsweise um einen direkten Kontakt zu vermeiden. Was passiert: Die beiden Hunde marschieren direkt aufeinander zu, was bedrohlich für das Gegenüber erscheinen kann. Meistens kann hier auch schon ein deutliches Drohfixieren festgestellt werden. Die Hunde schauen sich an und sind nicht mehr ansprechbar. Trotz des Drohens wird von beiden weiterhin die Individualdistanz unterschritten, sodass die Hunde keine andere Wahl haben, als aggressiv zu reagieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es zu solch einer Ausnahmesituation im Freilauf schlichtweg nicht kommen würde, da die Hunde vermeiden würden, auf diesem direkten Wege aufeinander zuzugehen. Durch die Leine werden sie allerdings gehindert, ihre individuelle Distanz einzuhalten. So kann es passieren, dass sich die Hunde eingeengt fühlen und sich entsprechend verhalten.

Warum entwickelt sich Aggressionsverhalten an der Leine, und welche Rolle spielt der Halter?

Irgendwann ist immer das erste Mal: Mein Hund begegnet einem anderen Hund, der ihm nicht ganz geheuer ist, er hat Angst. Hunde haben vier Möglichkeiten, mit ihrer Angst umzugehen: Entweder sie flüchten, das wird jedoch durch die Leine verhindert. Sie erstarren, doch meistens wird der Hund durch den Halter weitergezogen. Sie bieten eine Aufforderung zum Spiel an, um die Situation zu entschärfen – doch auch diese Möglichkeit ist an der Leine nur eingeschränkt möglich – oder sie reagieren mit aggressivem Verhalten.

Warum wird Aggression als häufigste Strategie gewählt?

Dies ist ein Lernprozess des Hundes. Er hat gelernt, durch Aggression zum Erfolg zu kommen. Der andere Hund nähert sich nicht weiter beziehungsweise das andere Hund-Halter-Team weicht dem bellenden Gespann lieber aus. Sprich: Aggression bringt die gewünschte Distanz.

Eine nicht zu vernachlässigende Komponente bildet das andere Ende der Leine. Häufig kann man beobachten, dass die Halter des aggressiven Hundes mit ihm schimpfen oder versuchen, das unerwünschte Verhalten abzubrechen. Der Hund kann das Verhalten seines Halters auf zwei Möglichkeiten verstehen:

1. „Meine Mama bellt mit, demnach liege ich wohl richtig.“

Hunde tun nur das, was sich lohnt. Eine Art von Belohnung für den Hund ist Aufmerksamkeit. Hierbei ist dem Hund erst einmal egal, ob die Aufmerksamkeit des Halters in Form von netten Worten oder in Form von Beschimpfungen kommt. Schimpfen ist besser als keine Aufmerksamkeit, demnach belohnt der Halter das Verhalten.

2. „Oh je, jetzt hat meine Mama auch schon schlechte Laune, und ich muss mich auch noch vor ihr fürchten.“

Der Hund hat sowieso schon Angst aufgrund des anderen Hundes, nun macht ihm der Halter zusätzlich noch Stress. Was passiert beim nächsten Mal? Der Hund hat mehr Angst, da ihn nicht nur der andere Hund beunruhigt, sondern auch die schlechte Laune des Halters verunsichert – ein Teufelskreis beginnt.

Trägt der Hund ein Halsband ohne Stopp, ein Stachelhalsband oder gibt ihm der Halter Leinenrucke, hat der Hund zu der Angst noch körperlichen Schmerz, beziehungsweise er bekommt keine Luft mehr. Stellen Sie sich vor, Ihnen würde bei jedem Menschen, dem Sie begegnen, die Luft genommen – nun wissen Sie, wie es Ihrem Hund geht.

Der entgegenkommende Hund wird demnach zum Signal für körperlichen Schmerz, auch hier gerät der Hund wieder in einen Teufelskreis, er hat bei jeder nun folgenden Begegnung mehr Angst.

Wie kann ich vermeiden, dass mein Hund zum Leinenrüpel wird?

Am einfachsten ist, man bringt bereits seinem Welpen bei, dass entgegenkommende Hunde „lecker“ sind, dieses Vorgehen nennt man in Fachkreisen Gegenkonditionierung: Andere Hunde werden mit Futter aus der Hand des Halters verknüpft. Oft sind viele Wiederholungen nötig, bis der entgegenkommende Hund als Signal für Leckerchen wird. Bei ausreichender Übung wird Ihr Hund sich Ihnen zuwenden und wie im Comic sein Leckerchen einfordern. Als Folge ignoriert er den anderen Hund. Auch für den entgegenkommenden Hund entspannt sich nun die Situation, denn er wird nicht mehr bedroht. Ein Passieren ist nun ohne Probleme möglich.

Mein Hund rüpelt an der Leine - was kann ich tun?

Ignorieren Sie das aggressive Verhalten, kommentieren Sie sein Gebärden nicht, sondern gehen Sie möglichst kommentarlos, ohne zu ziehen, weiter. Leichter gesagt als getan – das stimmt!

Am besten Sie vermeiden erst einmal Hundekontakte, außer in Trainingssituationen. Auch hier kommt wieder die Gegenkonditionierung ins Spiel. Der Hund soll andere Hunde mit etwas Angenehmen – zum Beispiel Leckerchen – verknüpfen. Die Schwierigkeit bei einem Hund, der bereits eine Leinenaggression entwickelt hat, ist, dass er vielleicht schon nicht mehr fressen kann, sobald er einen Artgenossen zu Gesicht bekommt.

Aus diesem Grund muss ihm der andere Hund in einer Entfernung präsentiert werden, in der er sein Gegenüber zwar wahrnimmt, aber noch nicht mit aggressivem Verhalten reagiert. Sobald der Hund am Horizont erscheint, bekommt der zu trainierende Hund Leckerchen, bis der andere Hund wieder verschwunden ist. Nach und nach kann die Entfernung verringert werden bis dann auch ein direktes Aneinadervorbeigehen möglich ist. Dieses Procedere sollte mit so vielen unterschiedlichen Hunden wie möglich geschehen, damit nicht nur der eine Trainingshund als ungefährlich empfunden wird, sondern die angenehme Verknüpfung allgemein übertragen wird. In Fachkreisen spricht man vom generalisieren.

Hilfe, ein Hund kommt!

Natürlich kann uns passieren, dass wir trotz aller Vorsicht in der Trainingsphase einem anderen Hund begegnen. Dazu brauchen wir einen Notfallplan:

Zum einen könnten Sie über ein Halti, ein Kopfhalfter für den Hund, die Situation absichern. Durch das Halti kann der Hund nicht so stark in Richtung anderer Hund ziehen und Sie als Halter können diesen Situationen entspannter entgegengehen. Allerdings muss der Hund zunächst an ein Halti gewöhnt werden, hierzu sollten Sie sich fachmännische Hilfe suchen.

Hat Ihr Hund den anderen Hund wahrgenommen und reagiert noch nicht mit aggressivem Verhalten, sollten Sie Ihren Hund, soweit er noch Futter nehmen kann, an dem anderen Hund „vorbei füttern“.

Ist Ihr Hund allerdings bereits am Pöbeln, sollten Sie souverän ohne Kommentar möglichst schnell und unauffällig die Situation verlassen und Ihren Hund dann wieder für ruhiges Verhalten belohnen.

Zur Person:

Dr. Katrin Voigt ist Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie und führt seit 2007 eine verhaltenstherapeutische Praxis. Des Weiteren ist sie Prüferin für den BHV-Hundeführerschein, Assistenzhund-Team-Prüferin (IHK) sowie Sachverständige zur Abnahme von Wesenstests gemäß hessischer HundeVO. Im Januar 2009 gründete sie das Hundezentrum Rhein-Main. Dazu gehören neben einer Praxis für Verhaltenstherapie auch eine Hundeschule, eine Hundepension sowie eine Praxis für Tierphysiotherapie.

Text und Idee: ©Dr. med. vet. Katrin Voigt
Hundezentrum Rhein-Main
Auf der Lind 3
65529 Waldems-Esch
E-Mail: verhaltenstherapie@hundezentrum-rhein-main.com

 

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