Interview: Herausforderungen im Tierschutz

Zwei Hunde im Zwinger. © TASSO e.V.

Wer sich dem Tierschutz privat und auch beruflich widmet, der tut dies mit Leib und Seele. So wie unsere Kollegin Petra Zipp, Leiterin Tierschutz Ausland bei TASSO. Wir haben ihr mal ein paar ganz direkte Fragen zum Thema Tierschutz gestellt und haben auch direkte Antworten erhalten.

Hallo Petra, Du bist schon seit Jahrzehnten im In- und Auslandstierschutz tätig. Was sind im Tierschutz Deiner Meinung nach die größten Herausforderungen?
Die ständige Konfrontation mit Grausamkeiten gegen Tiere aller Art ist belastend. Um motiviert arbeiten zu können, muss man realisieren, dass wir als Einzelne nicht die Welt verändern, aber die Welt für Einzelne besser machen können. Indem ich beispielsweise einzelne Hunde aus der rumänischen Tötungsstation rette, habe ich nicht das Problem gelöst, aber Leben gerettet, die es wert sind, gerettet zu werden. Zudem werden viele weitere Menschen durch die persönlichen Erfahrungen mit diesen Tieren motiviert, sich gegen Tierquälerei einzusetzen. Indem ich mein Leben bewusst gestalte, kann ich persönlich etwas für Mensch, Tier und Natur tun. Hier müssen wir Menschen überzeugen, nicht zu verzweifeln, sondern sich in ihrem kleinen Bereich für Tiere einzusetzen und sich Gedanken über ihre Bedürfnisse zu machen, nicht einfach nur zu kaufen und zu konsumieren, sondern zu überlegen, ob sie hier Tierleid unterstützen. Wir müssen trotz vieler Rückschläge stets weiterarbeiten und motivieren aktiv zu werden beziehungsweise zu bleiben.

Wie lange wartet ein Tier durchschnittlich auf ein neues Zuhause?
Die Aufenthaltsdauer in Tierheimen ist völlig unterschiedlich und hängt von Art, Alter und Verhalten der Tiere ab. Die sogenannten Heimtiere, die eigentlich keine sein sollten, wie Schlangen, Schildkröten, Leguane, Bartagamen etc. und exotische Vögel können eigentlich gar nicht an Familien vermittelt werden und müssen so lange behalten werden, bis sich geeignete Auffangstationen oder ein sachkundiger Halter finden. Bei Hunden und Katzen ist es abhängig von Verhalten, Alter und Gesundheitszustand. Unkomplizierte Tiere sind schnell vermittelt, bei den anderen kann es Wochen, Monate und manchmal auch Jahre dauern.

Das wünschen wir natürlich keinem Tier. Welche Tiere haben es denn besonders schwer ein neues Zuhause zu finden?
Kranke und verhaltensauffällige Tiere haben große Probleme vermittelt zu werden. Hier werden Menschen mit Erfahrung, Geduld, Einfühlungsvermögen und auch dem nötigen Kleingeld gesucht, um diesen Tieren gerecht zu werden. Oftmals sitzen auch optisch unauffällige Tiere länger im Tierheim wie zum Beispiel der kleine Dackelmischlingsrüde Dixie, der im Zwinger etwas depressiv ist. Er ist der totale Traumhund, der sich mit allem und jedem verträgt, bestens erzogen ist, aber schwarz und zurückhaltend ist. Der Interessent erwartet oft, dass ein Tier freudestrahlend auf ihn zukommt und berücksichtigt nicht, dass er sich selbst zunächst interessant für das Tier präsentieren sollte und Vertrauen aufbauen muss.

Bedauernswert sind auch die vielen Listenhunde, zu denen unter anderem American Staffordshire-Bullterrier, Kangal, Mastiff oder Rottweiler zählen, die in deutschen Tierheimen sitzen, und ohne Rücksicht auf ihren Charakter nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Rassenliste schlecht vermittelt werden können und oft bis ans Lebensende im Tierheim sitzen bleiben. Die Situation ist übrigens in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Auf der TASSO-Homepage kann man sich die Hundeverordnungen der einzelnen Bundesländer anschauen.

Oft hören und lesen wir, dass Menschen sehr gerne ein Tier aus dem Tierschutz aufnehmen wollen, das aber gar nicht so einfach ist. Immer wieder gibt es die Aussage: Tierheime wollen die Tiere gar nicht hergeben, obwohl man doch eigentlich das ideale Zuhause bieten könnte! Warum ist das so?
Tierheime wollen grundsätzlich alle Tiere in ein neues Zuhause vermitteln, wenn dies denn möglich ist. Sie tragen aber die volle Verantwortung für eine Vermittlung. Mitarbeiter und Helfer kennen ihre Schützlinge durch den täglichen Umgang mit ihnen sehr gut, kennen ihre Verhaltensweisen und Bedürfnisse und wollen das Risiko minimieren, dass Tiere nach der Vermittlung wieder zurückkommen und ein weiteres eventuell schlechtes Erlebnis auf dem Konto des Lebens verbuchen müssen. Aus diesem Grunde werden potentielle Interessenten ausführlich gecheckt und es muss auch manchmal „Nein“ gesagt werden. Oftmals werden dann aber passendere Alternativen angeboten. Zum Beispiel ist ein wunderschönes Zuhause mit großem Garten trotzdem nicht für einen Welpen geeignet, wenn der Halter den ganzen Tag beruflich bedingt außer Haus ist, und die Freilaufkatze gehört nicht an die stark befahrene Bundesstraße.

Häufig wird kritisiert, dass Tiere aus dem Ausland nach Deutschland gebracht werden. Hier gebe es doch genug Tiere in Tierheimen, die ebenfalls ein Zuhause suchen. Was sagst Du dazu?
In vielen Ländern in Ost- und selbst in Westeuropa gibt es zu viele Tiere, weil noch unkontrollierte Vermehrung stattfindet. Welpen werden in hoher Zahl geboren und zum Wegwerfartikel. Tierheime mit funktionierender Adoptionsstruktur im eigenen Land gibt es selten, weil im Gegensatz zu Deutschland der erste Weg zur Hundeanschaffung nicht ins Tierheim führt. In Ländern wie zum Beispiel Rumänien wird in den städtischen Lagern oft schon nach 14 Tagen getötet. Es ist zudem ein Irrglaube, dass hier nur Straßentiere landen. Ich erinnere mich an den Fall zweier entzückender Dackelmischlingsschwestern, die super gepflegt, bestens erzogen und vollständig geimpft wegen Krankheit ihrer Besitzer in der Tötung Codlea bei Brasov landeten. Glücklicherweise konnten sie von Tierschützern gerettet werden und dürfen nun ihr Leben in Deutschland bei netten Tierfreunden führen.

Diesen Tieren hilft der Umstand, dass in Deutschland der erste Weg von vielen Tierfreunden ins Tierheim oder zum Tierschutz (es gibt ja viele Vereine, die mit Pflegestellen hervorragend arbeiten) führt, weil man erstens keinen Zuchthund und zweitens einem Tier in Not helfen möchte. Da deutsche Tierheime in der Regel vorwiegend große und Problemhunde beherbergen und kleine und unkomplizierte Hunde Mangelware sind, kann durch die Aufnahme von geeigneten Tieren aus dem Ausland beiden geholfen werden, den Hunden und den Menschen.

Und manchmal unterbleibt dann dadurch der Weg zu Ebay-Kleinanzeigen, wo unseriöse Händler ihre Wühltischwelpen aus Massenzucht sehr nett präsentieren. Für den Laien ist dabei nicht erkennbar, dass das Tier zum Beispiel zu früh von der Mutter getrennt wurde und möglicherweise krank ist. TASSO hat dazu auch ein Projekt ins Leben gerufen, um (künftige) Tierhalter aufzuklären: Wühltischwelpen – nein danke!

Und darum sollte der erste Gang immer ins Tierheim führen, wenn man sich ein Tier ins Haus holen möchte?
Ja, grundsätzlich sollte man immer erst einmal an die Tiere denken, die bereits auf der Welt sind und bis jetzt nicht so viel Glück im Leben hatten. Es ist für mich nicht akzeptabel, ein Tier aus der Massenzucht zu kaufen, wenn andernorts gesunde Hunde im Tierheim sitzen oder gar getötet werden, nur weil sie an der falschen Stelle geboren wurden. Zudem bietet ein Tierheim Hilfestellung bei der Auswahl des passenden Hausgenossen und Unterstützung bei Problemen und das ein Leben lang. Eingewöhnung kostet immer Zeit und Geduld. Und es ist hilfreich, wenn im Tierheim ein hilfsbereiter Mensch da ist.

Wir bei TASSO shelta wollen ja mit Vorurteilen gegenüber Tierschutztieren aufräumen, damit diese eine Chance auf ein tolles Zuhause bekommen. Dennoch hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass diese Tierschutztiere zum Beispiel verhaltensgestört oder nicht sozial sind. Was meinst Du ist der Grund dafür und wie kann man den Menschen diese Angst nehmen?
Der Mensch macht oft den Fehler, das Tier nur in seinem Umfeld Tierheim zu beurteilen und nicht die Vorgeschichte. Jedes Tier hat eine Vergangenheit und zwar eine individuelle, daher gibt es nicht das Züchtertier oder das Tierschutztier. Der alte Hund, dessen Besitzer verstorben ist, wird für einen neuen älteren Tierhalter sicherlich ein perfektes Tier sein können. Der junge aktive Hund, der von einem berufstätigen Tierhalter wegen Überforderung abgegeben wird, wird sich in einer neuen aktiven Familie mit viel Zeit oft zum Traumhund entwickeln. Nicht das Tier ist das Problem, sondern der Halter. Es erstaunt mich in meiner langen Tierheimzeit mit tausenden von Tiervermittlungen immer wieder, wie anpassungsfähig zum Beispiel Hunde auch nach einer schwierigen Vergangenheit sind. Wichtig ist, dass der neue Besitzer auf sein Tier eingeht und ihm das neue Leben zeigt und ihm auch Zeit lässt, und nicht immer alles, was nicht passt, auf die Vergangenheit schiebt. Grundsätzlich sollte man sich vor Anschaffung eines Tieres erst einmal mit den Eigenschaften und dem Wesen beschäftigen und selbstkritisch prüfen, ob man selbst eigentlich geeignet ist, für ein solches Tier zu sorgen.

Daher ist mein Appell: Tiere über den Tierschutz mit Beratung, Hilfestellung und Rückgabegarantie im Notfall aufzunehmen. Schaut mal bei Tagen der offenen Tür in Tierheimen und bei Hundetreffen von kleineren Vereinen vorbei und macht Euch ein Bild von der Vielzahl der tollen Tiere, die es ihren Besitzern danken, dass sie nicht zum Züchter gegangen sind, sondern ihnen eine Chance gegeben haben.

Und nun erzähl uns doch bitte noch, wie Du überhaupt zum Tierschutz gekommen bist?
Nach dem Abitur 1977 wollte ich Biologie studieren, da Natur und Tiere schon in meiner Kindheit sehr wichtig für mich waren. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich mit der Grausamkeit und Sinnlosigkeit von Tierversuchen konfrontiert, die auch im Studium erforderlich gewesen wären. Daher entschloss ich mich zu einer Bankausbildung und begann, mich ehrenamtlich im Tierschutz zu engagieren zunächst mit dem Fokus auf Tierversuche. Die persönliche Bekanntschaft mit dem Mitbegründer des Vereins Ärzte gegen Tierversuche, Dr. Herbert Stiller, bestärkte mich in meinem Engagement. Weitere Aktivitäten in allen Tierschutzbereichen kamen dazu und 1985 folgte der hauptamtliche Einstieg in den Tierschutz mit der maßgeblichen Beteiligung am Aufbau eines Tierheimes in der Wetterau und später noch einmal in Baden-Württemberg. Ich habe Fachlehrgänge und Seminare besucht, um die notwendige Qualifikation nach § 11 Tierschutzgesetz zu erwerben. Weiterbildungen in allen Tierschutzbereichen folgten. Tierheimleitung, -organisation und Arbeit in einer vereinsinternen Tierheimkommission, mehrjährige Vorstandstätigkeit, Mitgliederverwaltung, Öffentlichkeitsarbeit etc. waren jahrzehntelang meine Aufgabenbereiche. 1993 erfolgte mein Einstieg in die Auslandstierschutzarbeit zunächst mit der Organisation eines Kastrationsmobils, dann folgte die Unterstützung von Tierheimprojekten in Spanien, Italien, Griechenland, Ungarn und Rumänien. Im Rahmen meiner jetzigen Tätigkeit als Leiterin Tierschutz Ausland bei TASSO e.V. liegt der Schwerpunkt meiner praktischen Tätigkeit in Rumänien. Netzwerkkontakte in Europa werden genutzt zur Hilfestellung bei Auslandstierschutzproblemen von Privatpersonen und Tierschutzvereinen. Mit der rumänischen Stadt Targu Mures konnte ein langfristiger Vertrag für die Zusammenarbeit zwischen Tierschutz und Kommune geschlossen werden. Im städtischen Tierheim wird kein gesunder Hund mehr getötet, überzählige Tiere werden nach Deutschland vermittelt. Weitere Projekte sind in Arbeit.

 

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