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Aufklärungspflicht verletzt

von Claudia N.

Guten Abend, wir haben ein Geschwisterpärchen (Hunde, mittlerweile 2 Jahre alt). Um eine Verpaarung zu vermeiden riet uns unser Tierarzt damals zu einem Hormonchip. Der Rüde sollte erst mit 1 1/2 Jahren kastriert werden, unser Tierarzt lehnte eine Frühkastration ab. Wir entscheiden uns für diesen Chip, der Rüde war 8 Monate alt.. Es erfolgte keine Aufklärung über diesen Chip, nur dass er wie eine chemische Kastration wirkt.. Nach 5 1/2 Monaten wurde der 2. Chip gesetzt. 4 Monate später hat der Rüde das Mädchen bestiegen. Es dauerte vielleicht 5 Minuten weil mein Lebensgefährte die Beiden sanft getrennt hat. Nach einem Anruf bei unserem TA meinte dieser, dass nichts passiert sein kann, der Deckakt hätte nicht lange genug gedauert und der Rüde hätte ja den Chip. Auch 3 Wochen später als die Hündin verfressen wurde und ich sie ihm vorstellte meinte er nur sie sähe nicht trächtig aus. Ultraschallgerät besitzt er keins und mir wurde auch kein Besuch bei einem anderen TA empfohlen um ein Ultraschall durchführen zu lassen. Er röntgte die Hündin am 43. Tag und konnte nichts sehen. Nach nochmaliger Nachfrage von uns setzte er einen nochmaligen Termin zum Röntgen an. Die Hündin durfte 2 Tage lang nichts fressen. Bei dem neuen Termin entdeckte er dann 2 Welpen und bestätigte es sind mindestens 2 Welpen. Wir waren geschockt, denn Inzucht wäre für uns niemals in Frage gekommen zumal unsere Hunde HD haben. Zum guten Schluss kamen dann am 22.02.17 9 Welpen auf die Welt. Ein kleiner Mann mussten wir leider nach 2 Monaten einschläfern lassen denn er litt an hochgradigem Megaösophagus und ein Mädchen hat einen schweren Herzfehler. Sie lebt bei uns weil sie nicht vermittelbar ist und wir sie auch nicht mehr hergeben würden. Nachdem wir uns dann mal den Beipackzettel des Hormnonchips von unserem TA kopieren ließen haben wir gelesen, dass man nach weiterer Gaben dieses Chips die Hunde nicht mehr trennen muss. Unser Tierarzt und eine Mitarbeiterin haben uns bestätigt, dass sie das genauso sehen. Nach einem Anruf bei der Firma, die die Chips herstellen lehnten sie jede Haftung ab, da in dem Beipackzettel auch steht, dass bei 0.1 % der Tiere der Chip nicht wirken kann. Unser TA hat in einem Schreiben bestätigt, dass er grundsätzlich den Beipackzettel nicht an die Tierhalten rausgibt. Somit konnten wir auch nicht wissen, dass der gar nicht so sicher ist. Unser (ehemaliger) TA behauptet nun, er hätte uns eine Abtreibungsspritze angeboten die wir jedoch abgelehnt hätten und er hätte vorgeschlagen, den Testosteronwert des Rüden bestimmen zu lassen um zu sehen ob der Chip wirkt usw. Meine Frage: Welche Chancen hätten wir gegen diesen TA wegen Vernachlässigung der Aufklärungspflicht vorzugehen? Ich denke, dass seine Arzthelferinnen für ihn aussagen werden. Einen Zeugen der alles so bestätigen kann habe ich auch. Ich habe leider keine Rechtschutzversicherung und bin mir sehr unsicher ob ich mit ihm vor Gericht gehen soll. Eine außergerichtliche Klärung ist unmöglich. Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar. Es ist schwierig den ganzen Ablauf hier zu schildern. Das würde den Rahmen sprengen.

Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries
Foto: © Ann-Kathrin Fries

Antwort von Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries

Bei der Frage nach der Tierarzthaftung handelt es sich um ein sehr kompliziertes Gebiet, daher ist hier nur ein genereller Überblick möglich.

Ein Behandlungs- und Aufklärungsfehler liegt vor, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können. Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Hier zeigt sich warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne einen Sachverständigen sind diese Fragen in der Regel nicht zu beantworten. Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

Anders ist es allerdings, wenn der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Die fehlende Dokumentation spricht dann gegen den Tierarzt und kehrt die Beweislast um. Der Tierarzt muss nun seinerseits beweisen, dass der Schaden auch bei einer fehlerfreien Behandlung eingetreten wäre. Die Höhe des jeweiligen Schadensersatzes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Ebenfalls zu einer Beweislastumkehr kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Tierarztes, z.B. bei einem Befunderhebungsfehler, so der BGH in seinem aktuellen Urteil vom 10.05.2016 – Az. VI ZR 247/15. Allerdings muss zunächst der „grobe Behandlungsfehler“ mittels eines Sachverständigen bestätigt werden.

Die Prüfung ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Sie einen Schadensersatzanspruch gegen den Tierarzt haben ist an dieser Stelle daher nicht möglich. Für die Beurteilung müssen sowohl die Rechnungen und da Sie schreiben, dass der Tierarzt sich schon schriftlich geäußert hat, auch der gesamte Schriftverkehr eingesehen werden. Dass er eine Abtreibungsspritze angeboten hätte und ob die Frage ob er dies beweisen kann, ist im Rahmen der Höhe des Schadensersatzes wichtig, da er damit auf Ihre so genannte „Schadensminderungspflicht“ abzielt. Bei weiterem Beratungsbedarf zu den Erfolgsaussichten und dem Kostenrisiko eines möglichen Prozesses wenden Sie sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für Tierrecht.

Zunächst könnten Sie sich auch an die zuständige Landestierärztekammer wenden, um doch noch eine gütliche Einigung mit dem Tierarzt erzielen zu können.

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