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Tierarztkosten

von Cora N.

Guten Tag, folgendes Problem: Unser Welpe wurde von unserem Rüden versehentlich beim Spielen verletzt. Es war Samstag. Ich suchte den tierärztlichen Notdienst auf. Er wurde untersucht, ich befürchtete einen Bruch, die Ärztin meinte, sie könne keinen ertasten. Ich wollte, dass er geröntgt wird, die Ärztin meinte das sei nicht nötig, er hätte sich wahrscheinlich nur was gezerrt. Er bekam Schmerzmittel und wir wurden nach Hause geschickt. Nächster Tag, keine Besserung. Der Kleine hat Schmerzen, quietscht, will nicht fressen. Erneut zu der Tierärztin von Tags zuvor. Ich bestehe auf Röntgenaufnahmen. Sie holt ein völlig veraltetes, fast schon Museumsreif anmutendes Röntgengerät hervor. Macht die Aufnahme, eine von der Seite, eine in Rückenlage. Die zweite Aufnahme hat Schlieren, Flecken, sie sagt wir könnten die Aufnahme wiederholen, wenn ich das möchte, ohne diese dann zu berechnen. Also nochmals Schmerzen beim Strecken für die Aufnahme beim Kleinen. Sie kann nichts feststellen. Keinen Bruch, beide Hüftgelenke wären wo sie sein sollen, es wären wohl doch nur Prellungen oder Zerrungen. Montag, er frisst immer noch nicht, hat mehr Schmerzen. Ich fahre zu meiner Tierärztin bei der ich eigentlich bin. Erneut Untersuchung, sie telefoniert mit der TA vom WE, sagt - da die Röntgenbilder unauffällig waren, wäre nochmal röntgen nicht nötig. Er bekommt Infusion, Schmerzmittel ectr. Da sie nicht wirklich weiter weiß und ich darauf bestehe eine Diagnose für die Schmerzen haben zu wollen, verweist sie mich an die Tierklinik. Heute also Tierklinik. An Tag 4. Die Röntgenbilder habe ich mir in der Zwischenzeit besorgt, sie untersuchen, tasten ab, werden stutzig, studieren die Röntgenbilder - deren Qualität nicht gut ist wie man mir sagt, und stellen eine Luxation der Hüfte nach innen fest! Wären die Aufnahmen besser, der Hund ordentlich gestreckt so wie es sein sollte, hätte man es sehr wahrscheinlich gleich gesehen. Also auch die Bereitschaftstierärztin hätte es dann sehen müssen. Da die Qualität aber nicht gut war, brauchte es Profis. Da die Verletzung nun schon 4 Tage zurück liegt, ist ein "einrenken" nicht mehr möglich. Das wäre an Tag 1 noch möglich gewesen. Eine offene OP ist nun fällig. Zu den ganzen Schmerzen die der Kleine aushalten musste, kommt nun noch die OP mit allen Risiken und ein Haufen Kosten auf uns zu! Es kann sein, das ein operatives "einrenken" nicht geht, dann muss der Hüftkopf entfernt werden, was eine Beeinträchtigung für den Kleinen darstellt und später das Arthrose-Risiko erhöht. In meinen Augen stellt es ein ärztliches Versagen dar. Kann ich die Kosten und mögliche Folgekosten von der Bereitschaftstierärztin einfordern? Danke vorab für die Antwort. Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries
Foto: © Ann-Kathrin Fries

Antwort von Rechtsanwältin Ann-Kathrin Fries

Bei der Frage nach der Tierarzthaftung handelt es sich um ein sehr kompliziertes Gebiet. Zunächst allgemeinen Information hierzu vorweg.
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Tierarzt nicht die tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt hat, die von einem gewissenhaften Tierarzt erwartet werden können. Ein Behandlungsfehler liegt daher bei einer Pflichtverletzung des Tierarztes vor. Haftbar macht sich der Tierarzt aber erst dann, wenn ihm auch ein Verschulden an dieser Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Hier zeigt sich warum dieses Rechtsgebiet für Tierhalter so schwierig ist, da der Tierhalter die Pflichtverletzung beweisen können muss. Ohne einen Sachverständigen sind diese Fragen in der Regel nicht zu beantworten. Der Tierarzt wiederum muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.
Anders ist es allerdings, wenn der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Die fehlende oder unvollständige Dokumentation spricht dann gegen den Tierarzt und kehrt die Beweislast um. Der Tierarzt muss nun seinerseits beweisen, dass der Schaden auch bei einer fehlerfreien Behandlung eingetreten wäre. Die Höhe des jeweiligen Schadensersatzes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Ebenfalls zu einer Beweislastumkehr kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Tierarztes, z.B. bei einem Befunderhebungsfehler, so der BGH in seinem Urteil vom 10.05.2016 – Az. VI ZR 247/15. Allerdings muss zunächst der „grobe Behandlungsfehler“ mittels eines Sachverständigen bestätigt werden.
In Ihrem konkreten Fall ist zunächst prüfen, ob der Bereitschaftstierärztin eine Sorgfaltspflichtverletzung und ein sogenanntes „Übernahmeverschulden“ zur Last gelegt werden kann z.B. durch den Einsatz eines veralteten (?) Ultraschallgeräts und/oder einer fehlerhaften Ausführung der Untersuchung und sodann in welcher Höhe Sie einen Schadensersatzanspruch haben (Tierarzthonorar der Bereitschaftsärztin, Kosten der Tierklinik, Physiotherapie, Medikamente, Fahrtkosten, etc.). Ebenso ist zu prüfen, ob Ihrer Tierärztin ebenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last zu legen ist, da sie offensichtlich auf die mündlichen Angaben der Kollegin vertraut und es unterlassen hat deren Röntgenbilder anzufordern bzw. eigene Röntgenbilder anzufertigen.
Um Ihre Ansprüche, die Höhe und gegen wen prüfen konkret bewerten zu können, müssten die vorhandenen Unterlagen, insbesondere die Rechnungen eingesehen werden. Sie könnten auch Einsicht in die Unterlagen/Kartei der Bereitschaftstierärztin fordern. Zwar muss sie Ihnen keine Originale aushändigen, muss Ihnen aber gegen Erstattung der Kosten Kopien zuschicken. Fordern Sie die Unterlagen schriftlich an und setzten Sie eine konkrete Frist.
Des Weiteren lassen Sie sich von der Klinik eine ausführliche Bescheinigung geben über die (schlechte) Qualität der ersten Röntgenbilder und welche Folgen aus der zu späten Diagnose resultieren und welche weiteren Maßnahmen nun notwendig sind (wahrscheinlich regelmäßige Physiotherapien nach der OP). Mit diesen Unterlagen können Sie sich dann zur weiteren Beratung an einen Anwalt oder eine Anwältin für Tierrecht wenden.
Alternativ/zusätzlich können Sie sich auch an die zuständige Tierärztekammer wenden. Diese kann zwar keine Streitigkeiten verbindlich entscheiden, sie kann aber versuchen zwischen Tierhalter und Tierarzt zu vermitteln.

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