Trotz Ersatzmethode: Kaninchen müssen immer noch für Tierversuch leiden

Petition „6.000 Kaninchen retten – Pyrogentest stoppen!“

Kaninchen werden für Tierversuche in Kästen fixiert. (c) One Voice © One Voice

In Deutschland müssen immer noch jährlich über 6.000 Kaninchen im „Pyrogentest“ leiden, obwohl dieser Tierversuch bereits seit zehn Jahren durch eine behördlich anerkannte tierversuchsfreie Testmethode ersetzt werden kann.  

TASSO möchte mithelfen, diesen skandalösen Zustand zu beenden und ist deshalb Unterstützer der von der Organisation „Ärzte gegen Tierversuche“ e.V. initiierten Petition „6.000 Kaninchen retten – Pyrogentest stoppen!“.

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Der Pyrogentest am Kaninchen: „Rabbit Pyrogen Test“ (RPT) 

Bei diesem Test werden Kaninchen bis zum Hals in kleine Boxen gesteckt, in denen sie die ganze Versuchsdauer von mehreren Stunden nur sitzend oder liegend unter Nahrungs- und Trinkwasserentzug ausharren müssen. Die zu prüfende Substanz wird ihnen in eine Ohrvene injiziert, während über den Messzeitraum von 90 Minuten vor und 3 Stunden nach der Injektion ein rektal eingeführtes Thermometer ihre Körpertemperatur misst. Bekommen die Tiere Fieber, darf die ganze Produktionseinheit (Charge) der betreffenden Probe nicht für den Verkauf freigegeben werden. Die Kaninchen werden in der Regel mehrmals „verwendet“ und erst nach einer gewissen Zeit „ausrangiert“ und getötet. 

Welchen Leiden sind die Kaninchen im Pyrogentest ausgesetzt?

Das Leid dieser Kaninchen beginnt natürlich schon vor ihrem Einsatz im Versuch – wie bei anderen „Versuchstieren“ auch – durch die „Produktion“ und Haltung beim „Versuchstierlieferanten“ sowie den Transport zur eigentlichen, versuchsdurchführenden Einrichtung.

Im Versuch selbst ist die Einzelhaltung und die stundenlange Fixation für das Fluchttier Kaninchen bereits mit Leiden, Stress und Angst verbunden. Die vielen Injektionen in die Ohrvenen verursachen nicht nur als solche Schmerzen, sondern führen auch zu Verdickungen dieser Blutgefäße. Die Wirkungen der Testsubstanzen und das gelegentlich auftretende Fieber sind für die Tiere ebenfalls belastend. Das Fieber kann u.a. zu Krämpfen und Schockzuständen führen. Der größtmögliche Schaden wird den Kaninchen dann am Ende ihrer „Einsatzzeit“ mit ihrer Tötung zugefügt. Aus ethischer Sicht ist dieser Umgang mit fühlenden Mitlebewesen, als seien diese tote Gebrauchsgegenstände („Laborgeräte“), die „nach Gebrauch entsorgt“ werden, nicht hinnehmbar. 

Wie viele Kaninchen müssen in Deutschland im Pyrogentest leiden?

  • Noch um die Jahrtausendwende wurden in Europa 100.000 und in Deutschland 20.000 Kaninchen pro Jahr für den Pyrogentest eingesetzt. (1) 
  • 2018 lagen die jährlichen Kaninchen-Zahlen bundesweit immer noch bei 6.291, von denen allein 82 % in einem Labor in Bayern leiden und sterben mussten. (2) 
  • Im Jahre 2019 hat sich die Zahl der in Deutschland für diesen Test verwendeten Kaninchen sogar noch weiter auf 6.457 erhöht! (3)

Nachteile des Kaninchentests

Aufgrund der biologischen Unterschiede zwischen Kaninchen und Mensch erzeugen nicht alle für den Menschen pyrogen wirkenden Substanzen auch im Kaninchen Fieber. So wurden z. B. fünf von neunzehn mit Endotoxin verunreinigten Proben in einem Kaninchentest nicht erkannt. (4) Die Fieberschwelle von Mensch und Kaninchen ist ebenfalls unterschiedlich: Beim Menschen liegt sie mit 30 pg/ml Referenz-Endotoxin niedriger als beim Kaninchen mit einer Schwelle von 50 pg/ml Referenz-Endotoxin. Dieser Umstand könnte zu falschen Testergebnissen und ungerechtfertigten Freigaben von Produktionseinheiten führen. (5)

Darüber hinaus können im Kaninchentest nicht alle Substanzen geprüft werden. Hierzu gehören z. B. Radiopharmaka, Zytostatika, Entzündungshemmer, Antibiotika, Narkose- und Beruhigungsmittel, Hormone, Zytokine und Proteine. (5), (6) Auch in Bezug auf bestimmte Eigenschaften und Werkstoffoberflächen von Testmaterialien ist der Rabbit Pyrogen Test ungeeignet; dies gilt für z. B. bestimmte Medizinprodukte, gasförmige Produkte, Blutprodukte und Zelltherapeutika. Nicht zuletzt ist die Bestimmung der Pyrogenmenge in einem zu prüfenden Produkt im Kaninchenversuch nicht möglich.

Definition: Was sind Pyrogene?
Der Begriff „Pyrogene“ ist aus den griechischen Worten pyr (= Fieber) und gennan (= erzeugen) zusammengesetzt und bedeutet „fiebererzeugende Stoffe“ beziehungsweise „Fieberstoffe“. Bei diesen Stoffen handelt es sich um Substanzen aus Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilzen) und sonstigen Stoffen (Gummi- oder Plastikpartikel, Metallabrieb), die bei Menschen und Tieren Fieber auslösen, wenn sie per Injektion oder Implantation („parenteral“ = unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes) verabreicht werden bzw. mit dem Blut oder der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit in Kontakt kommen.

Die wichtigsten Pyrogene sind die als Endotoxine bezeichneten Zellwandbestandteile gramnegativer Bakterien. Aus Gründen der Produktsicherheit müssen alle Injektions- und Infusionslösungen sowie auch Implantate nicht nur steril sondern auch pyrogenfrei sein. Um dies sicherzustellen, ist im Europäischen Arzneibuch die Prüfung auf Pyrogenfreiheit für jede Produktionseinheit parenteraler Zubereitungen vorgeschrieben. Als Standardtest hierfür wurde seit mehr als 60 Jahren der „klassische Pyrogentest“ oder auch „Rabbit Pyrogen Test“ (RPT) an Kaninchen durchgeführt.

Der Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL-Test): Keine „Alternative“ zum Tierversuch! 

Neben dem Kaninchenversuch wird noch ein In-vitro-Test mit Blutzellen des Pfeilschwanzkrebses (Limulus polyphemus), der sogenannte LAL-Test (Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test) oder auch Bakterien-Endotoxin-Test (BET), eingesetzt. 

Das Prinzip des LAL-Tests basiert auf der Gerinnungsreaktion der Blutzellen (Amöbozyten) dieses Gliederfüßers auf Endotoxine gramnegativer Bakterien. Anhand der Trübung oder Färbung des durch die Gerinnung der Hämolymphe entstehenden Gels kann dann das Endotoxin nachgewiesen werden.
Dieser Test findet zwar auch in vitro statt, ist aber mit der quälerischen Behandlung und zum Teil Tötung der Pfeilschwanzkrebse durch Fang, Transport und betäubungslose Entnahme großer Blutmengen (20 % der Hämolymphe) verbunden. Die Sterblichkeitsrate unter den Tieren durch diese Prozedur liegt bei 10- 30 %, und die überlebenden Tiere tragen schwerwiegende Verhaltens- und Gesundheitsschäden davon. (7), (8) Leider wird der LAL-Test noch sehr häufig an Stelle des Kaninchentests durchgeführt.

Nachteile des LAL-Tests

Der LAL-Test ist ausschließlich für die Prüfung auf Endotoxine gramnegativer Bakterien (Lipopolysaccharide) geeignet. Aber auch das ist nicht mit Prüfstoffen wie Blut, Lipiden, Zelltherapeutika und Feststoffen möglich. (5) Zudem sind die Testergebnisse durch andere, nicht Fieber erzeugende Stoffe beeinflussbar. Aufgrund der biologischen Unterschiede zwischen Gliederfüßern und Menschen ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen generell beschränkt.

So können Sie helfen: Petition unterschreiben!
Unterstützen Sie die Petition mit Ihrer Unterschrift.
Sammeln Sie weitere Unterschriften in Ihrem Umfeld.
Schreiben Sie selbst an die für Tierschutz zuständige Bundesministerin Julia Klöckner.
Informieren Sie sich und andere über das Thema.


Online-Petition: 6.000 Kaninchen retten – Pyrogentest stoppen!

Tierversuchsfreie Methode zum Nachweis von Pyrogenen

Rekombinanter Faktor-C-Test (rFC-Test) 

Dieser Test ist ein Ersatz für den LAL-Test und basiert auf einem rekombinant hergestellten Faktor C, welcher als Hauptrezeptor der Amöbozyten des Pfeilschwanzkrebses die proteolytische Gerinnungskaskade  bei Kontakt mit Endotoxin initiiert. (9), (13) Der Test wurde im Juli 2020 in das Europäische Arzneibuch aufgenommen (2.6.32. Test for bacterial endotoxins using recombinant factor C) und trat am 1. Januar 2021 in Kraft. (10)

Der Monozyten-Aktivierungs-Test (MAT) bzw. Immun-Pyrogen-Test (IPT)

Schon in den 90er Jahren wurde ein Testsystem mit menschlichen Blutzellen entwickelt, das auf der Reaktion von bestimmten Blutkörperchen, den Monozyten, auf Fieber erzeugende Substanzen basiert: In Gegenwart von Pyrogenen schütten die Monozyten Botenstoffe (Interleukine) aus, die im Organismus eine Fieberreaktion hervorrufen. Dieser Mechanismus funktioniert auch in vitro mit Vollblut von menschlichen Spendern (gefriergelagert oder frisch) oder mit menschlichen monozytären Zellinien. Wenn nun eine mit Pyrogenen verunreinigte Prüfsubstanz diesen menschlichen Blutzellen beigemischt wird, schütten die Monozyten Interleukin-1ß aus, welches mithilfe spezifischer Antikörper gebunden, mit einem ELISA-Verfahren detektiert und quantitativ erfasst wird. Auf diese Weise können Pyrogene in einer Testsubstanz nachgewiesen werden, und auch die Bestimmung ihrer  Konzentration in der Probe ist möglich. 

Nach der internationalen Validierung wurde der „Monozyten-Aktivierungstest“ (MAT) im Oktober 2010 in das europäische Arzneibuch aufgenommen. Seitdem sind Produkthersteller verpflichtet, den MAT nach erfolgreicher Validierungsphase im eigenen Hause statt des Kaninchenversuchs anzuwenden. Nur für die Fälle, in denen ein Produkt noch nicht für den MAT validiert wurde, erlaubt das Europäische Arzneibuch noch die Testung auf Pyrogene am Tier. 

Einschränkungen der Anwendbarkeit beziehen sich beim MAT nur noch auf ganz wenige Materialien wie Glas oder Stoffe, die gezielt die reagierenden Zellen (Monozyten) in dem Testsystem beeinflussen (11) Einige auf dem MAT basierende In-Vitro-Testsysteme (PyroDetect, PyroMAT™) werden bereits kommerziell angeboten. (12) Am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart wurde ein Teststreifen namens „ImmuStick“ entwickelt, der Pyrogene mithilfe ihres natürlichen Agonisten, der Toll-like-Rezeptoren (TLR) auf Immunzellen, nachweisen kann. Die TLR werden isoliert, mit farblich markierten Liganden versehen und auf einen Teststreifen aufgebracht. Wenn flüssige Prüfsubstanzen Pyrogene enthalten, werden diese angefärbt während sie die Liganden von den TLR verdrängen. (14)

Diese In-Vitro-Systeme sind den beiden zur Verfügung stehenden Tiertests deutlich überlegen. Sie ermöglichen den Nachweis eines breiten Pyrogen-Spektrums bei gleichzeitig hoher Sensitivität. Sie spüren nicht nur Pyrogene aus gramnegativen Bakterien auf, sondern sind auch in der Lage, nicht-endotoxine Pyrogene (NEP) aus z. B. grampositiven Bakterien, Schimmelpilzen, Hefen, Viren und der unbelebten Umgebung (Materialabrieb etc.) aufzuspüren. Auch die im Kaninchenversuch sowie im Test mit dem Blut von Pfeilschwanzkrebsen nicht prüfbaren Zelltherapeutika können mit dem MAT auf Pyrogenfreiheit untersucht werden. (12) Darüber hinaus sind die MAT-Testsysteme kostengünstiger, genauer und einfacher in der Handhabung als der Tierversuch. (12)


Erfreuliche Entwicklung: Großes Auftragslabor verzichtet auf Kaninchentest!

Das Auftragslabor LS aus Bayern, welches für den Großteil der für Pyrogentests eingesetzten Kaninchen in Deutschland verantwortlich war, bietet gemäß einer Auskunft von April 2021 keinen Kaninchentest mehr an. Zur Prüfung von Arzneizubereitungen auf Freiheit von fiebererzeugenden Stoffen (Pyrogentest) führt das Labor künftig nur noch den LAL-Test sowie zwei tierverbrauchsfreie Methoden im Programm.

Auch wenn das Labor bis zur behördlichen Genehmigung dieser Umstellung übergangsweise noch einige Kaninchenversuche durchführt, so ist dies eine Entwicklung in die richtige Richtung. Nun gilt es, sowohl den Kaninchenversuch als auch den LAL-Test, für welchen immer noch Pfeilschwanzkrebse leiden müssen, schnellstens ganz abzuschaffen!

Weiterer Erfolg: Pyrogentest am Kaninchen soll europaweit auslaufen! 

Im Juni 2021 hat die europäische Arzneibuch-Kommission die vollständige Ablösung des Kaninchenpyrogentests (RPT) im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) innerhalb der nächsten 5 Jahre beschlossen. (15) 

Da viele Arzneimittelhersteller trotz vorhandener Ersatzmethoden in Europa leider nach wie vor Kaninchen für den Pyrogentest einsetzen, sollen jetzt die aktuell 59 relevanten Ph. Eur. -Texte zu Impfstoffen, Blutprodukten, Antibiotika, Radiopharmaka etc. überarbeitet werden, indem der Pyrogentest durch eine geeignete Alternativmethode ersetzt und somit die vollständige Abschaffung des RPT herbeigeführt wird. Zwischenzeitlich sollen die Hersteller aktiv ermutigt werden, Alternativen – bevorzugt den MAT – einzusetzen. 

Dieser Beschluss ist begrüßenswert. Er hätte jedoch schon früher kommen müssen. Kritikwürdig ist die noch verbleibende Dauer von 5 Jahren bis zum endgültigen Aus des Kaninchentests. Denn so werden in der EU voraussichtlich noch 175.000 Kaninchen für den Pyrogentest leiden und sterben müssen.

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