Die Ruhe nach der Flut

Im Kreis Ahrweiler warten noch immer viele Tiere auf die Rückkehr zu ihren Menschen oder auf neue Familien, die ihnen ein Zuhause bieten

© TASSO
Claus-Peter Krah mit dem Team vom Tierheim Remagen.

Claus-Peter Krah wirkt entspannt. Der Vorsitzende des Tierheims und Tierschutzvereins des Kreises Ahrweiler lehnt sich an diesem warmen Maitag im Aufenthaltsbereich des Remagener Tierheims in seinem Stuhl zurück und versichert: „Es läuft alles in ruhigen Bahnen bei uns.“ Dass er das heute – mehr als zehn  Monate nach einer der größten Flutkatastrophen, die das Ahrtal je erlebt hat – sagen kann, verdankt das Tierheim vor allem seinen engagierten Beschäftigten und Ehrenamtlichen sowie einer riesengroßen Welle der Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung.

Das Tierheim Remagen, das auch für Fundtiere im ganzen Kreis Ahrweiler zuständig ist, blickt auf nervenaufreibende und anstrengende Monate zurück. Vom Wasser, das am 14./15. Juli 2021 in einer Flutwelle durchs Ahrtal gespült wurde und eine unvorstellbare Zerstörung hinterließ, blieb das kleine Tierheim in Remagen zum Glück verschont. Doch die Folgen der Flut spürte man hier deutlich. Krah erzählt: „Von unseren neun Mitarbeiterinnen waren drei selbst mit massiven Schäden an ihren Wohnhäusern betroffen, einige konnten tagelang nicht zur Arbeit kommen, weil die Straßen nicht passierbar waren. Dazu kamen in den Tagen nach der Flut mehrere hunderte Anrufe und E-Mails am Tag, sodass wir einen Telefonnotdienst einrichten mussten.“ Mehrfach täglich brachten die Rettungskräfte gerettete Tiere – eine Herausforderung für das kleine Tierheim. „Die Vierbeiner kamen in der Regel ohne Impfpass. Wenn der Impfstatus nicht klar ist, müssen Fundtiere zum Schutz der anderen Tiere in Quarantäneräumen untergebracht werden. Da kamen wir räumlich schnell an unsere Grenzen“, erinnert sich Krah. Zum Glück war die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung riesengroß und zahlreiche Pflegestellen meldeten sich. „Wir hatten sogar Pflegestellenangebote aus Hamburg.“ Diese habe man zwar nicht in Anspruch nehmen müssen, dennoch ist Krah sichtlich dankbar über das Engagement der Menschen aus ganz Deutschland.

Weniger Vermittlungen nach der Flut

Auch fast ein Jahr nach der Flut sind viele Hunde und Katzen noch auf Pflegestellen untergebracht. Entweder weil sich die Halter nicht gefunden haben oder weil die Menschen noch immer keine Möglichkeit haben, ihre Vierbeiner wieder bei sich aufzunehmen. Viele Familien im Ahrtal und Umgebung sind noch auf der Suche nach neuen Wohnungen. Die Angebote sind knapp, die Preise hoch, Tierhaltung oft nicht erwünscht. Andere warten darauf, dass sie ihre Häuser sanieren können, auf Handwerker, auf Baumaterial. Für die Tierhaltung im Kreis sind die Folgen spürbar. „Wir haben deutlich weniger Vermittlungen als früher“, beschreibt Krah die Entwicklung, anhand derer er auch festmacht, dass viele Menschen im Kreis noch immer große Sorgen haben.

Das Wasser kam schnell und in einem Ausmaß, wie es die Menschen im Ahrtal noch nicht erlebt haben. Tausende mussten sich in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli in Sicherheit bringen, ihre Häuser verlassen, auf die Dächer klettern und auf Rettung warten. Betroffene, Politik und Medien diskutieren seit Monaten, was falsch gelaufen ist, dass es zu einem solchen Ausmaß der Zerstörung kommen konnte. Die Antworten sind noch lange nicht gefunden.

Klar ist, solche Katastrophen können immer passieren. Doch wie kann man sich auf so etwas vorbereiten? Was hätten Tierhalter machen können? Katzen an die Transportbox gewöhnen und trainieren, dass sie auf Zuruf hineingehen? Hunde gut sichern, eine Notfalltasche mit Pässen und Ausrüstung bereitlegen? Sicher, das ist alles sinnvoll. Was davon in einem Notfall wirklich klappt, ist fraglich. Krah ist realistisch: Im Notfall gehe es oft nur noch darum, das eigene und das Leben der Tiere zu retten. Die fehlenden Impfpässe seien verschmerzbar. Schlimmer findet er, dass viele Tiere nicht registriert waren. „Da wurden sie vor dem Wasser gerettet, sind bei uns in Sicherheit, wir können ihren Chip auslesen und dann ist dieser nicht registriert“, sagt Krah ärgerlich. „Es ist wirklich ein kleiner Schritt, der einen so großen Unterscheid macht. Das Kennzeichnen und anschließende Registrieren bei TASSO sei die wichtigste Vorbereitung, die ein Tierhalter treffen könne, betont er. Die „tränenreichen Wiedervereinigungen“, die dank der Hilfe des Tierheimes und der Registrierung nach der Flut möglich wurden, seien der beste Beleg dafür.

Exotische Gäste im Tierheim

Es waren nicht nur Hunde und Katzen, die das Tierheim nach der Flut aufgenommen hat. Auch Tierarten, mit denen die Tierschützer nur wenig Erfahrung haben, fanden vorrübergehend Zuflucht. Darunter Bartagame, eine Boa und sogar eine Vogelspinne. „Sie trieb im Wasser und wurde von jemandem gerettet, der offenbar keine Angst vor Spinnen hat“, erzählt Krah schmunzelnd und ergänzt: „Einige unserer Mitarbeiterinnen haben da zum ersten Mal im Leben eine Vogelspinne gesehen.“ Dass auch exotische tierische Mitbewohner aus den Fluten gerettet wurden, spricht für Krah dafür, dass die Helfer im Notfall nicht wegsehen, wenn Tiere Hilfe benötigen, sondern auch hier zupacken. Besonders aufwendig war die Rettung einiger Kois aus der Ahr. „Das klingt zwar etwas komisch, dass man Fische aus dem Wasser retten musste, aber Kois sind sehr empfindlich und benötigen sehr sauberes und klares Wasser. Auch mit der Strömung kommen sie nicht gut zurecht“, erklärt Krah die Notwendigkeit der besonderen Rettungsaktion. Die japanischen Zuchtkarpfen hatten sich in eine Art Bucht in der Ahr gerettet und wurden dort von den Helfern des Technischen Hilfswerks eingefangen. In einem Container mit Wasser fuhren die Einsatzkräfte die Tiere mit Hilfe eines Gabelstaplers zum Tierheim. Ein Anblick, den Krah sicher sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Zwischenzeitlich haben die Kois auch ein neues Zuhause gefunden.

Leider kam die Hilfe in vielen Fällen dennoch zu spät. Zahlreiche Wild- und Haustiere sind bei der Flutkatastrophe, die allein in Rheinland-Pfalz 134 Menschen das Leben kostete, gestorben. Viele Tiere wurden zudem verletzt oder bedurften durch die Anstrengung und den Stress medizinischer Versorgung. Auch das war in den Tagen nach der Flut gar nicht so einfach, denn viele Tierarztpraxen waren ebenfalls vom Hochwasser betroffen oder durch zerstörte Straßen nicht erreichbar.

Ohne Hilfe ging es nicht

Das Tierheim selbst, so findet Krah, sei insgesamt gut durch die anstrengende Zeit gekommen. Das verdanke man auch der großen Welle der Hilfsbereitschaft. Seien es Futter-, dringend benötigte Geldspenden oder die Angebote von Pflegestellen. Für Krah zeigt sich hier auch, wie hoch der Stellenwert des Tierschutzes ist. „In der Bevölkerung“, schickt er hinterher. Von der politischen Seite hätte sich der erste Vorsitzende des Tierschutzvereines mehr Unterstützung gewünscht. Sowohl von der kommunalen Politik als auch von der Landesregierung. „Im Nachhinein würde ich sagen, wäre es wichtig gewesen, dass wir zügig finanzielle Unterstützung bekommen hätten und sei es nur in Form von kurzfristigen Krediten. Die Ausgaben, die wir hatten, waren enorm, unter anderem für Tierfutter aber natürlich auch für die notwendige tierärztliche Versorgung unserer Schützlinge.“ Aber auch über bloßes Interesse seitens der politisch Verantwortlichen hätte Krah sich gefreut. Dieses habe es leider gar nicht gegeben.           

Finanzielle Unterstützung hat der Tierschutzverein in dieser Zeit zum Glück dennoch erhalten – von Privatpersonen und beispielsweise auch von TASSO. Im Rahmen der Aktion „Trockene Pfoten“ hat TASSO das Tierheim frühzeitig und unbürokratisch mit 30.000 Euro für die Bewältigung der unvorhersehbaren neuen Aufgaben unterstützt.

Insgesamt waren die Wochen und Monate nach der Flut für alle im Tierheim Remagen eine harte Zeit, geprägt von Improvisation, großem Einsatz und zahlreichen Überstunden. Aber mit vereinten Kräften konnte vielen Tieren und Menschen geholfen werden. Dass noch mehr Vierbeiner bald zu ihren Menschen zurückkehren können, die Vermittlungsquote wieder ansteigt und die Mitarbeiterinnen ihre Überstunden abbauen können, das sind einige Wünsche, die Krah für die nähere Zukunft des Tierheims äußert. Und zumindest einige davon gehen schrittweise in Erfüllung, weshalb er an diesem Mittwochmittag entspannt und mit verdientem Stolz auf die Leistung des Tierheimes, der ehrenamtlichen Helfer und zahlreichen Unterstützer blicken kann.

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